1994 – 2024
Von der Selbsthilfegruppe im Wohnzimmer zu einem vielschichtigen Hilfeangebot für Menschen mit einer Abhängigkeitsproblematik – eine Geschichte von Selbstwirksamkeit und dem Leitsatz der Hilfe von und für Betroffene
Am 27.07.1994 wurde der Verein “Hilfe zur Selbsthilfe – Begegnung Jena e.V.” durch die Mitglieder einer Jenaer Selbsthilfegruppe für Abhängigkeitskranke gegründet. Anfangs hatte unser Verein seinen Sitz in den Wohnzimmern der Gründungsmitglieder.
Noch im November 1994 konnte die erste Begegnungsstätte in Jena-Nord eröffnet werden. Bereits im März 1995 zog der Verein samt Begegnungsstätte an den Magdelstieg. Vor dem Hintergrund der Schaffung einer sinnvollen Beschäftigung zur Tagesstrukturierung entstanden hier unsere ersten Arbeitsprojekte, die ‚Sero*-Annahme-Stelle‘ und die ‚Handwerker-selbsthilfe-Gruppe‘. Im Oktober 1997 starteten wir am Magdelstieg mit unserem ersten Gebrauchtmöbellager, welches 1999 an seinen jetzigen Standort in der Hugo-Schrade-Straße zog.
Im selben Jahr öffnete unsere Begegnungsstätte nach dem Umzug in die Max-Steenbeck-Straße in Winzerla wieder neu. In den folgenden Jahren entstanden weitere Zweckbetriebe im Verein, bspw. ein Wasch– und Nähsalon, eine Malergruppe, eine Gruppe zur Pflege von Grünanlagen, eine Holzwerkstatt und verschiedene Transportarbeiten.
Die Arbeits– und Beschäftigungsprojekte stehen seit den Anfängen für eine auf Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenzen ausgerichtete Unterstützung bei der Umsetzung der individuellen Ziele. Sie bieten eine an den persönlichen Bedarfen orientierte Begleitung bei der Bewältigung von Alltagsanforderungen, der Gestaltung einer sinngebenden Tagesstruktur und ermöglichen es, sich in unterschiedlichen Fertig– und Fähigkeiten zu erproben.
Die hierdurch ermöglichte Selbstwirksamkeitserfahrung erweist sich seit 30 Jahren als zentraler Motor bei der Reduktion des Konsums, dem Auf– und Ausbau abstinenter Phasen und einer Stabilisierung von Abstinenz. In den Jahren entwickelten sich neben verschiedenen Selbsthilfe-angeboten für Betroffene und Angehörige (bis zu sieben aktiven Selbsthilfegruppen) auch die ersten professionellen Suchthilfeangebote in unserem Verein.
Im Rahmen des ehemaligen lokalen Suchthilfeverbundes wurde der Hilfe zur Selbsthilfe der Bereich der niedrigschwelligen aufsuchenden Arbeit sowie der Nachsorge und Beschäftigung von der Stadt Jena übertragen. Mit der Kontaktstelle für nicht abstinent lebende suchtkranke Menschen konnte dies ab 2006 umgesetzt werden.
Des Weiteren konnten wir im Oktober 2004 im Columbuscenter in Winzerla eine Tagesstätte für chronisch mehrfachgeschädigte suchtkranke Menschen eröffnen. Seit Januar 2008 hat unser Verein seinen heutigen Sitz in der Buchaer Straße 6 – endlich in den eigenen vier Wänden. In den Räumlichkeiten befinden sich die Geschäftsstelle, die zentrale Koordination der Arbeits– und Beschäftigungsprojekte sowie die trockene Begegnungsstätte als Anlaufstelle und Treffpunkt der Suchtselbsthilfegruppen und –aktivitäten.
Mit der Umstrukturierung der Suchthilfeangebote in der Stadt Jena und der damit einhergehenden Zusammenfassung von legalen und illegalen Substanzen und der Aufteilung in hoch- und niederschwellige Suchthilfeangebote wurde aus der Kontaktstelle unser heutiges Kontaktcafé im Tafelhaus in Lobeda– West. Hier bieten wir nun seit 2017 einen offenen Kontakt- und Kommunikationsraum, welcher als Rückzugsort vom Szene- und Konsumalltag genutzt werden kann. In diesem stressreduzierten Rahmen können unterschiedliche Angebote der Überlebenshilfe und lebenspraktische Hilfen, zur Stabilisierung der aktuellen Situation, genutzt werden.
Mit der Einbindung mehrerer DHL-Shop‘s an den verschiedenen Standorten der Arbeits- und Beschäftigungsprojekte und der Eröffnung eines Second-Hand-Geschäftes, als „der Laden“, mit einem breit angelegten Sortiment an gebrauchten Bekleidungs– und Kleingegenständen werden die Angebote stetig um– und ausgebaut.
Ziel ist es, eine adäquate Betreuung von Menschen mit einer Abhängigkeitsproblematik vom Erstkontakt bis hin zur Wiedereingliederung in Arbeit und Beschäftigung zu bieten. So hat sich der Verein „Hilfe zur Selbsthilfe—Begegnung e.V.“ in den vergangenen 30 Jahren zu einem festen Bestandteil der Suchthilfestruktur in der Stadt Jena entwickelt.
*Sero– Sekundärrohstoffe, wiederverwertbare Wertstoffe u.a. Papier und Altglas.